„Angepasste Blickzuwendung zum Bildschirm“ – der Touchscreen-Beschluss des OLG Karlsruhe

Was war geschehen?

Ein Tesla war auf einer Bundesstraße unterwegs. Es regnete stark, die Scheibenwischer liefen. Um die Scheibenwischer-Intervalle zu verstellen, nutzte der Fahrer den fest über der Mittelkonsole installierten Touchscreen. Zur Veränderung der Wischer-Intervalle musste hier zunächst ein Scheibenwischersymbol berührt werden, bevor dann im Untermenü zwischen fünf Einstellungen gewählt werden konnte.

Der Fahrer konzentrierte sich so sehr auf die Einstellung der Scheibenwischer, dass er auf gerader Strecke von der Fahrbahn nach rechts abkam, in eine Böschung fuhr und dort u.a. mit mehreren Bäumen kollidierte.

Das Amtsgericht Karlsruhe verurteilte den Fahrer wegen vorschriftwidrigen Benutzens eines elektronischen Gerätes nach § 23 Abs. 1a StVO zu einer Geldbuße von 200 € und verbot ihm für die Dauer von einem Monat das Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr.

Touchscreen-Beschluss des OLG Karlsruhe

Der Verurteilte wehrte sich gegen die Einstufung des Touchscreens im Tesla als elektronisches Gerät i.S.d. § 23 Abs. 1a StVO. Seiner Ansicht nach handele es sich bei dem Geschwindigkeitsregler des Scheibenwischers im Tesla nämlich um ein „sicherheitstechnisches Bedienteil“. Damit stellt es auch kein elektronisches Gerät nach § 23 Abs. 1a StVO dar, weil es nicht -wie es das Gesetz erfordere- der „Kommunikation, Information oder Organisation“ diene.

Das OLG Karlsruhe verwarf mit Beschluss vom 27.03.2020 ( 1 Rb 36 Ss 832/19) die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts.

Das Gericht führt aus, dass § 23 Abs. 1 a Satz 2 StVO eine – nicht abschließende- Liste von Elektronikgeräten enthält, die „auch“ Geräte im Sinne der Norm darstellen.

In dieser Liste findet sich ausdrücklich der Begriff „Berührungsbildschirm“ (= Tochscreen) und zwar ohne Einschränkung der Funktion.

OLG Karlsruhe zum „Berührungsbildschirm“

Das Gericht führt hierzu aus:

Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 a StVO spricht für die Einbeziehung sämtlicher Berührungsbildschirme, entsprechend dem weit gefassten Wortlaut ohne Einschränkung. § 23 Abs. 1 a StVO dient der Unfallverhütung und soll Ablenkungen des Fahrzeugführers vom Verkehrsgeschehen, die durch die Blickzuwendung bei der Bedienung elektronsicher Geräte entstehen, verhindern. Es macht dabei für die Ablenkung des Fahrzeugführers keinen Unterschied, welcher Zweck mit der Bedeutung des elektronischen Gerätes konkret von ihm verfolgt wird. Die Blickzuwendung auf einen Berührungsbildschirm während der Fahrt lenkt die Aufmerksamkeit des Fahrers unabhängig davon ab, ob er einen Kurs in das Navigationsgerät eingibt oder den Scheibenwischer einstellt. § 23 Abs. 1 a StVO a.F. wurde deshalb im Vergleich zur alten Fassung, die nur Mobil- und Autotelefone umfasste, bzgl. der Tatbestandsmäßigkeit elektronischer Geräte erheblich erweitert. Der Kraftfahrzeugführer wird durch die Aufnahme von Berührungsbildschirmen in § 23 Abs. 1 a StVO a.F. auch nicht unverhältnismäßig bei der Bedienung seines Fahrzeugs eingeschränkt. § 23 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 Nr. 2 Satz 2 StVO verbietet die Bedienung originärer Funktionen eines Kraftfahrzeugs durch Berührungsbildschirme nicht an sich, sondern gestattet sie unter den Voraussetzungen von Satz 1 Nr. 2 anders als in der Hand zu haltende Geräte, die gemäß Satz 1 Nr. 1 grundsätzlich verboten sind. Sofern zur Bedienung und Nutzung des fest im PKW installierten Berührungsbildschirms nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnisse angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist, darf das Gerät auch weiterhin vom Fahrzeugführer verwendet werden.

Fazit: Kurzer Blick zum Bildschirm ist erlaubt. Wenn die Bedienung des Touchscreens zum Unfall führt, war die „Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen“ jedenfalls zu lang und ein Verstoß gegen § 23 StVO liegt vor, der zu entsprechenden Sanktionen führt.